Trans* Eltern, ihre Kinder und die hohen Risiken, diskriminiert zu werden – den Bundesgerichtshof juckt es nicht. Der BGH hat in seinem gestern veröffentlichten Beschluss (BGH-Beschluss XII ZB 660/14) entschieden, dass ein trans* Vater, der gebärt hat, trotz rechtskräftiger Personenstandsänderung als „Mutter“ und mit veraltetem weiblichen Vornamen in das Geburtenregister eingetragen werden soll.
Auf Grundlage einer dpa-Nachricht berichteten inzwischen v.a. Printmedien (taz, Süddeutsche, Spiegel Online,Tagesspiegel u.a.) über die Entscheidung, die weitreichend diskriminierend für Kinder und trans* Eltern ist, jedoch noch ohne Trans*-Expertise in ihre Berichterstattung aufzunehmen (was sich nach einer Pressemitteilung der Bundesvereinigung Trans* von heute hoffentlich ändern wird).
Haben die sieben Herren Richter und Frau Richterin des XII. Zivilsenats des BGH noch nichts vernommen von:
– dem Positionspapier des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 21.9.17, in dem ein auch von TrIQ unterstütztes Geschlechtervielfaltsgesetz gefordert wird, das zeitgemäße Regelungen auch für trans* Eltern vorsieht?
– zwei Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte in Stockholm und Göteborg, die 2015 bestimmten, dass gebärende trans* Väter gemäß ihrer geschlechtlichen Identität als Väter in die Register einzutragen sind?
– dem Gutachten des Deutschen Instituts für Menschenrechte im Auftrag des BMFSF, in dem zu Gunsten des Kindeswohles und des Schutzes von trans* Eltern empfohlen wird: „Im Abstammungsrecht werden die geschlechtsspezifischen Bezeichnungen und Voraussetzungen durch geschlechtsneutrale Bezeichnungen, die an die Fortpflanzungsfunktion anknüpfen, ersetzt.“?
Der BGH trifft eine falsche Einschätzung, wenn er wertet, mit der Eintragung als „Mutter“ mit altem Vornamen würden nicht „die Persönlichkeitsrechte des transsexuellen Elternteils“ verletzt und sei das Offenbarungsverbot nach TSG § 5 gewahrt. Diese Bewertung ist diskriminierend und wider jede Anerkennung familiärer Vielfalt (festhaltend an § 1591 BGB, „Mutter eines Kindes ist die Frau, die es geboren hat.“). Der BGH legt seiner Entscheidung ein restlos veraltetes TSG zu Grunde, und ist fern einer Ablösung des Abstammungsrechts von geschlechtsbezogenen Begriffen, wie sie im Gutachten des Deutschen Instituts für Menschenrechte empfohlen wird.
Hintergrund:
Seit das Bundesverfassungsgericht in 2011 die Sterilisationsvoraussetzung für eine Änderung des Personenstands als unzulässigen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit gekippt hat, haben der 17. und 18. Deutsche Bundestag noch nicht gesetzgeberisch gehandelt und Vorkehrungen zum Schutz der Kinder und trans* Eltern getroffen, die Entscheidungen wie die des Bundesgerichtshof verunmöglichen würden.
Weiterführende Informationen:
– Positionspapier des BMFSFJ für Schutz und Akzeptanz geschlechtlicher Vielfalt (21.9.17)
– Gutachten „Geschlechtervielfalt im Recht – Status quo und Entwicklung von Regelungsmodellen zur Anerkennung und zum Schutz vor Geschlechtervielfalt” des Deutschen Instituts für Menschenrechte im Auftrag des BMFSFJ (2017)
– Pressemitteilung der Bundesvereinigung Trans*
– Schwedische Urteile: Transgender Europe (TGEU), Human Rights & Gender Identity, Best Practice Catalogue (2017), S. 36
– Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs