Möglichkeiten der Vornamens- und Personenstandsänderung in Einfacher Sprache

Möglichkeiten um den Vornamen und Geschlechts·eintrag zu ändern

Stand: April 2021

1. Das Transsexuellengesetz (TSG)

Der Bundestag hat das TSG 1980 beschlossen.
Das TSG geht davon aus, dass es nur 2 Geschlechter gibt und beschreibt Transgeschlechtlichkeit als psychische Krankheit.
Dieses Verständnis von Transgeschlechtlichkeit widerspricht dem Stand der Wissenschaft und internationalen Maßstäben.
Trotzdem hat der Bundestag das Gesetz immer noch nicht neugestaltet.

Was geschieht in einem TSG-Verfahren?

Vom Antrag stellen bis zum endgültigen Gerichtsbeschluss dauert das TSG-Verfahren meistens 6-9 Monate.
Die einzelnen Schritte vom TSG-Verfahren erklären wir hier:

Antrag
Stelle einen formlosen Antrag beim zuständigen Amtsgericht.
Wohnst Du in Berlin? Dann ist das Amtsgericht Schöneberg zuständig.
Bei einem formlosen Antrag gibt es kein Formular zum Ausfüllen.
Du entscheidest selbst, was Du im Antrag schreibst.
Zum Beispiel Deinen gewünschten Geschlechts·eintrag und Deine gewünschten Vornamen.
Du kannst beantragen, dass Geschlechts·eintrag und Vornamen geändert werden oder nur eines von beidem.
Außerdem kannst Du 2 Gutachter*innen vorschlagen.
Bisher beauftragt das Amtsgericht Schöneberg als Gutachter*innen meistens Menschen, die Psycholog*in oder Psychiater*in sind.

Gespräch
Wenn das Gericht den Antrag bekommen hat, lädt die zuständige Richter*in Dich zu einem Gespräch ein.

2 Gutachten
Nach dem Gespräch gibt das Gericht Aufträge für 2 Gutachten.
Wenn die Antragssteller*in Gutachter*innen vorgeschlagen hat, bekommen meistens diese Menschen die Aufträge.
Dann schlagen die Gutachter*innen Dir Gesprächstermine vor.
Gutachter*innen brauchen unterschiedlich viele Gespräche, bis sie ein Gutachten schreiben können.
Die meisten brauchen 1-3 Gespräche, bis sie diese Fragen im Gutachten beantworten können:
• Fühlt die Antragsteller*in sich dem beantragten Geschlecht zugehörig?
• Ist das seit mindestens 3 Jahren so?
• Wird das voraussichtlich so bleiben?

Gerichtsbeschluss
Wenn beide Gutachter*innen alle 3 Fragen bejahen, beschließt das Gericht Deine beantragten Änderungen.
Du bekommst einen vorläufigen Bescheid mit dem Beschluss.
Vorläufig bedeutet, dass der Beschluss noch nicht umgesetzt werden darf.
Denn Du hast 4 Wochen Zeit um dem Beschluss zu widersprechen.
Erst danach sendet Dir das Gericht den endgültigen Beschluss zu.
Möchtest Du schneller einen endgültigen Beschluss haben?
Dann schreibe dem Gericht, dass Du auf Deine Widerspruchsfrist verzichtest.

Unterlagen ändern
Mit dem endgültigen Beschluss kannst Du wichtige Unterlagen mit Deinem neuen Vornamen und Geschlechts·eintrag beantragen.
Zum Beispiel: Geburtsurkunde, Personalausweis oder Reisepass.
Mit dem Gerichtsbeschluss und Deinem neuen Ausweis kannst Du auch Zeugnisse und andere Unterlagen ändern lassen.

Offenbarungsverbot
Das TSG enthält ein Offenbarungsverbot.
Offenbarungsverbot bedeutet: Dein alter Name und Geschlechts·eintrag gehen niemanden etwas an.
Sie dürfen nur bei besonderem öffentlichen oder rechtlichen Interesse offenbart oder ausgeforscht werden.
Darum gibt es nur selten Probleme, wenn Du neue Unterlagen beantragst.

Kosten

Ein TSG-Verfahren kann mehrere Tausend Euro kosten.
Denn das Gerichtsverfahren und die Gutachten kosten Geld.
Das Gerichtsverfahren kostet in jedem Bundesland unterschiedlich viel.
In Berlin kostet es derzeit etwa 150€.
Die Preise für die Gutachten hängen von den Gutachter*innen ab.
Üblicherweise kosten sie 400€ und mehr.
Wir empfehlen: erkundige Dich vor dem Verfahren, ob Du Prozesskostenhilfe bekommen kannst.

Prozesskostenhilfe
Menschen mit wenig Einkommen und Vermögen können Prozesskostenhilfe bekommen.
Bei der Prozesskostenhilfe übernimmt das Gericht die Kosten für das TSG-Verfahren.
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe kann zusammen mit dem Antrag auf Änderung vom Namens und Geschlechts·eintrag gestellt werden.
Das Gericht überprüft Dein Recht auf Prozesskostenhilfe bis 4 Jahre nach dem Gerichtsverfahren.
Das bedeutet: Wer Prozesskostenhilfe bekommt, muss dem Gericht mitteilen, wenn sich das Einkommen verbessert.
Manchmal müssen die Kosten für das TSG-Verfahren dann zurückgezahlt werden.
Oft fragt das Gericht nach 2 oder 3 Jahren nach, wie sich das Einkommen verändert hat.

Sparen ohne Prozesskostenhilfe
Vielleicht ist schon vor dem Verfahren klar: Du bekommst keine Prozesskostenhilfe.
Dann empfehlen wir: Lasse schon vor dem Verfahren mindestens ein Gutachten erstellen.
Denn vom Gericht beauftragte Gutachten kosten meistens mehr als privat beauftragte Gutachten.
Erkundige Dich vorher, ob das zuständige Amtsgericht Deine gewählte Gutachter*in anerkennt.
Bringe das Gutachten mit zum Gespräch mit der Richter*in.

Minderjährige

2017 hat das Oberlandesgericht Brandenburg entschieden: Minderjährige ab 7 Jahren dürfen das TSG-Verfahren machen.
Ihre Erziehungsberechtigten müssen für sie den Antrag auf Änderung vom Namen und Geschlechts·eintrag stellen.
Wenn es 2 Erziehungsberechtigte gibt, müssen beide diesem Antrag mit einer Unterschrift zustimmen.
Kinder unter 7 Jahren brauchen für das TSG-Verfahren die Zustimmung vom Familiengericht.

Geschlechtseintrag streichen oder in „divers“ ändern mit dem TSG-Verfahren

Lange war mit dem TSG nur möglich, den Geschlechts·eintrag zu „weiblich“ oder „männlich“ zu ändern.
Am 22.04.2020 hat der Bundesgerichtshof entschieden:
Nicht-binäre Menschen können einen TSG-Antrag auf den Geschlechts·eintrag „divers“ oder Streichung stellen.
Das TSG-Verfahren für nicht-binäre und binäre Menschen ist gleich.

Gesetzestext TSG:
https://www.gesetze-im-internet.de/tsg/__1.html

Formular für den Antrag auf Prozesskostenhilfe in Berlin:
https://www.berlin.de/gerichte/was-moechten-sie-erledigen/artikel.418028.php

Urteil vom Oberlandesgericht Brandenburg zum TSG-Verfahren bei Minderjährigen:
https://openjur.de/u/2255116.html

2. Über §45b Personenstandsgesetz (PStG)

Seit Ende 2018 erlaubt das PStG, den Vornamen oder Geschlechts·eintrag oder beides zu ändern.
Es erlaubt die Einträge „weiblich“, „männlich“, „divers“ und die Streichung vom Geschlechtseintrag.

Was geschieht bei einer Änderung mit dem Personenstandsgesetz?

Änderungen mit dem Personenstandsgesetz gehen viel schneller als mit dem TSG.
Das brauchst Du für die Änderungen:

Attest oder eidesstattliche Erklärung
Du brauchst ein Attest über eine „Variante der Geschlechtsentwicklung“.
Das ist ein Schreiben von einer Ärzt*in in dem steht: „Bei … liegt eine Variante der Geschlechtsentwicklung vor.“
Vielleicht möchtest Du kein Attest haben oder kannst keins bekommen.
Dann kannst Du eine eidesstattliche Erklärung abgeben, in der Du sagst:
Die Variante der Geschlechtsentwicklung kann wegen der Behandlung nicht mehr nachgewiesen werden.
Oder sie kann nur durch eine unzumutbare Untersuchung nachgewiesen werden.
Bei einer eidesstattlichen Erklärung versicherst Du dem Standesamt, dass Du die Wahrheit sagst.

Termin beim Standesamt
Das Attest oder die eidesstattliche Erklärung gibst Du bei einem Standesamt ab.
Und Du sagst dem Standesamt, welchen Namen und Geschlechts·eintrag Du möchtest.
Diesen Antrag leitet das Standesamt weiter an Dein Geburtsstandesamt.
Dein Geburtsstandesamt ist in dem Ort, wo Du geboren wurdest.
Das Geburtsstandesamt stellt eine neue Geburtsurkunde aus.
Manchmal gibt es auch dem zuständigen Bürgeramt über die Änderungen Bescheid.

Unterlagen ändern
Mit der neuen Geburtsurkunde kannst Du einen neuen Reisepass und Personalausweis beim Bürgeramt beantragen.
Damit kannst Du auch Änderungen in anderen Unterlagen beantragen.
Offizielle Stellen verlangen oft eine Bescheinigung vom Standesamt über die Änderungen.
Leider verweigern manche Standesämter diese Bescheinigung.
Dann hilft nur erklären: Du hast einen neuen Namen und Geschlechts·eintrag.
Dein neuer Name und Geschlechts·eintrag gelten auch ohne Bescheinigung
und sie gehören in Deine Unterlagen.

Kein Offenbarungsverbot
Das TSG enthält ein Offenbarungsverbot.
Offenbarungsverbot bedeutet: Dein alter Name und Geschlechts·eintrag gehen niemanden etwas an.
Sie dürfen nur bei besonderem öffentlichen oder rechtlichen Interesse offenbar oder ausgeforscht werden.
Darum gibt es nur selten Probleme, wenn Du nach einem TSG-Verfahren neue Unterlagen beantragst.
Das Personenstandsgesetz enthält kein Offenbarungsverbot.
Das bedeutet: nachträgliche Änderungen von Zeugnissen und anderen Unterlagen sind schwieriger durchsetzbar.
Denn es gibt keinen festgelegten Rechtsanspruch darauf.
Und Menschen können den alten Namen und Geschlechts·eintrag herausfinden.
Eine Auskunftssperre verhindert das. Die kannst Du beim Bürgeramt beantragen.

Kosten

Der Termin beim Standesamt kostet etwa 15 €.
Auch die neue Geburtsurkunde und andere Unterlagen kosten Geld.
Wieviel genau, hängt vom Ort ab.

Für wen ist das PStG? 

Viele Standesämter lehnen die Anträge von trans* und nicht-binären Menschen ab.
Oder sie schaffen Hindernisse.
Denn es gibt rechtlichen und politischen Streit darum, wer das Personenstandsgesetz nutzen darf.
Im April 2020 hat der Bundesgerichtshof in einem Urteil gesagt:
trans* und nicht-binäre Menschen müssen das TSG nutzen.
Gegen dieses Urteil wurde Berufung vor dem Verfassungsgericht eingelegt.
Im Juni 2020 hat der Bundesgerichtshof mit einem anderen Urteil seine Meinung nochmal bestätigt.
In der Gesetzesbegründung steht:
Das Personenstandsgesetz ist nur für Menschen mit einer „Variante der Geschlechtsentwicklung“ entsprechend der Chicago Konsensuskonferenz von 2005.
Das bedeutet: „Varianten der Geschlechtsentwicklung“ sind angeborene Abweichungen im Erbgut, in den Intimorganen oder Fortpflanzungsorganen von Menschen.
Diese Ansicht bezieht sich nur auf den Körper von Menschen und missachtet die Geschlechtsidentität von Menschen.
Standesbeamt*innen sollen abwägen, ob das Attest dieser Definition entspricht.
Wenn sie daran Zweifel haben, sollen sie selbst ermitteln.

Diesem Verständnis widersprechen aber einige:
Der LSVD hat eine Rechtseinschätzung zum § 45b Personenstandsgesetz veröffentlicht.
Darin beschreibt er auch Transgeschlechtlichkeit als „Variante der Geschlechtsentwicklung“.
Mangold, Markwald und Röhner teilen in ihrem Gutachten diese Meinung.
Am Ende von diesem Text sind Links zu beiden Quellen.

Minderjährige

Auch Minderjährige können ihren Vornamen und Geschlechts·eintrag mit dem Personenstandsgesetz ändern.
Für unter 14-Jährige muss ein Erziehungsberechtigte*r die Erklärung beim Standesamt abgeben.
Menschen ab 14 Jahren dürfen die Erklärung selbst abgeben und brauchen die Zustimmung von einem erziehungsberechtigten Menschen.

Gesetzestext von § 45b Personenstandsgesetz:
https://www.gesetze-im-internet.de/pstg/__45b.html

Urteil vom Bundesgerichtshof im April 2020:
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=106062&pos=0&anz=1&fbclid=
IwAR0mbtj4acewfeUbijMbtvGtX0UX_L2D3d0VmRVjFZeP6MlowmzDjAymSYo

Wissen zur Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil vom Bundesgerichtshof im April 2020
https://freiheitsrechte.org/pe-dritte-option/

Urteil vom Bundesgerichtshofs im Juni 2020:
https://datenbank.nwb.de/Dokument/Anzeigen/831355/

Rechtseinschätzung vom LSVD zu § 45b Personenstandsgesetz und dem Begriff „Variante der Geschlechtsentwicklung“:
https://www.lsvd.de/de/ct/1361-Der-Geschlechtseintrag-im-Personenstandsrecht

Gutachten zum Verständnis „Variante der Geschlechtsentwicklung“ von Mangold, Markwald, Röhner:
https://eufbox.uni-flensburg.de/index.php/s/WwkHJkHaEaHpkQk#pdfviewer

Personenstandsänderung ohne deutsche Staatsangehörigkeit

Möchtest Du das TSG oder Personenstandsgesetz nutzen?
Dafür brauchst Du eine deutsche Staatsangehörigkeit oder Du musst in Deutschland asylberechtigt sein.
Bist Du in Deutschland aufenthaltsberechtigt und hast eine andere Staatsangehörigkeit?
Dann musst Du nachweisen: In diesem Staat gibt es keine vergleichbare Regelung.
Dann darfst Du das TSG oder das Personenstandsgesetz nutzen.
Aber die Änderungen gelten nur für deutsche Unterlagen.
Sie gelten nicht für die Ausweisunterlagen vom anderen Staat.