Bundesverfassungsgericht nimmt Verfassungsbeschwerde eines trans* Vaters nicht an – das „heiße Eisen“ Abstammungsrecht bleibt unangetastet

Pressemitteilung
Bundesverfassungsgericht nimmt Verfassungsbeschwerde eines trans* Vaters nicht an – das „heiße Eisen“ Abstammungsrecht bleibt unangetastet
Berlin, 25. Juni 2018. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde eines trans* Vaters, der seit mehreren Jahren vor mehreren gerichtlichen Instanzen dafür gekämpft hat, nicht als „Mutter“ in das Geburtenregister eingetragen zu werden, nicht angenommen. Für TransInterQueer e.V. ist diese Nichtbeschäftigung ein nächster Schlag in das Gesicht von trans* Eltern und ihren Kindern.
Nötig geworden war die Verfassungsbeschwerde, nachdem der Bundesgerichtshof in seinem im September 2017 veröffentlichten Beschluss (XII ZB 660/14) entschieden hatte, dass der trans* Vater, der gebärt hat, trotz rechtskräftiger Personenstandsänderung als „Mutter“ und mit veraltetem weiblichen Vornamen in das Geburtenregister eingetragen werden sollte. Damit hatte der BGH weiteren Vorinstanzen Recht gegeben.
Wir teilen die politische Einschätzung des beschwerdeführenden Vaters: die Ablehnung der Verfassungsbeschwerde ist ein Ausdruck von struktureller Trans*feindlichkeit, in Kombination mit der Unterdrückung der Rechte von Eltern.
M A X Roetz, im Vorstand von TransInterQueer e.V.: „Der Kampf von trans* Eltern wird um weitere Jahre zurückgeworfen, weil das Bundesverfassungsgericht sich nicht an das offensichtlich ‘heiße Eisen’ des Abstammungsrechts wagt. Zu Gunsten des Kindeswohls und des Schutzes von trans* Eltern müssen aus dem Abstammungsrecht geschlechtsspezifische Bezeichnungen gestrichen werden. Sie sollen ersetzt werden durch geschlechtsneutrale Bezeichnungen, die an die Fortpflanzungsfunktion anknüpfen, wie es auch das Deutsche Institut für Menschenrechte in seinem Gutachten 2017 empfohlen hat.“
Durch die Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde sind trans* Eltern weiterhin unzumutbaren Diskriminierungen ausgesetzt: durch die Eintragung als „Mutter“ mit altem Vornamen werden die Persönlichkeitsrechte von trans* Vätern verletzt, außerdem wird das Offenbarungsverbot nach TSG § 5 nicht gewahrt.
Zum Hintergrund:
Seit das Bundesverfassungsgericht in 2011 die Sterilisationsvoraussetzung für eine Änderung des Personenstands als unzulässigen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit gekippt hat, hat der Deutsche Bundestag noch nicht gesetzgeberisch gehandelt und keine Vorkehrungen zum Schutz der Kinder und trans* Eltern getroffen, die Entscheidungen wie die des Bundesgerichtshof verunmöglichen würden.
Dabei wurde schon im Positionspapier des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 21.9.17 ein Geschlechtervielfaltsgesetz gefordert, das zeitgemäße Regelungen auch für trans* Eltern vorsieht. Auch in anderen EU-Ländern sind trans* Eltern mehr geschützt als in Deutschand: zwei Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte in Stockholm und Göteborg aus dem Jahr 2015 bestimmten, dass gebärende trans* Väter gemäß ihrer geschlechtlichen Identität als Väter in die Register einzutragen sind.
Weitere Informationen:
Das Gutachten „Geschlechtervielfalt im Recht“ des Deutschen Instituts für Menschenrechte (2017):
https://www.bmfsfj.de/blob/114066/8a02a557eab695bf7179ff2e92d0ab28/imag-band-8-geschlechtervielfalt-im-recht-data.pdf
Unsere Presseerklärung zum BH-Beschluss (2017):
https://www.transinterqueer.org/allgemein/diskriminierungsrisiken-von-trans-elternjucken-den-bundesgerichtshof-nicht/