Studie zu kosmetischen Operationen an Inter*Kindern

Pressemitteilung
Kosmetische Operationen an Genitalien intergeschlechtlicher Kinder noch immer ‎traurige Realität
Studie zur Häufigkeit von Genitaloperationen im Kindesalter erschienen

Berlin, 3.12.2016‎
In deutschen Krankenhäusern werden weiterhin kosmetische Genitaloperationen an intergeschlechtlichen Kindern durchgeführt. Behauptungen, dass diese schwerwiegenden Eingriffe der ‎Vergangenheit angehörten,‎ ‎ sind schlichtweg falsch. Zu diesem alarmierenden Ergebnis kommt ‎eine am 1. Dezember veröffentlichte Studie von Dr. Ulrike Klöppel, die die Entwicklung der Ope‎rationshäufigkeit für die Jahre 2005 bis 2014 analysiert.‎ ‎ Demnach wurden etwa ein Fünftel der ‎als weiblich registrierten Kinder, die wegen einer Variation der körperlichen Geschlechtsmerkmale im Krankenhaus aufgenommen worden waren, einer komplexen Genitaloperation unterzogen, ‎die einer Anpassung an Weiblichkeitsnormen dient – und dies in einem Alter von 0 bis 9 Jahre. ‎Auch im Säuglingsalter sind z.B. Klitoris-Operationen weiterhin üblich. Maskulinisierungsopera‎tionen werden jährlich an Hunderten Kindern durchgeführt.‎
Die durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) geförderte ‎Studie bestätigt die Vorwürfe, die Organisationen intergeschlechtlicher Menschen (Organisation ‎Intersex International, Verein Intersexuelle Menschen e.V., zwischengeschlecht) seit Langem er‎heben: Menschenrechtsverletzungen an Kindern sind auch in deutschen Kliniken Praxis. Die im ‎September 2014 eingesetzte „Interministerielle Arbeitsgruppe zu Inter- und Transsexualität“ hält ‎es trotz dieser Tatsachen und verschiedener Rügen durch UN-Ausschüsse nicht für nötig, rechtliche Regelungen in der Bundesrepublik zum Schutz intergeschlechtlicher Kinder vorzubereiten.‎ ‎ ‎‎„Verstärkte Aufklärung und (Peer-)Beratung, wie von der Interministeriellen Arbeitsgruppe empfohlen, sind zweifelsohne nötig, aber sie bieten keine Rechtssicherheit“, kommentiert Andreas ‎Hechler, Beirat der Organisation Intersex International (OII) Deutschland.‎
„Dieser Zustand ist unhaltbar“, betont Dr. Dan Ghattas, Vorstandsmitglied von OII: „Deutschland ‎hat alle in diesem Zusammenhang relevanten UN-Menschenrechtskonventionen ratifiziert. Zugleich ist Deutschland als EU-Mitgliedsstaat und Mitglied des Europarats dazu aufgefordert, die ‎Europäische Menschenrechtskonvention einzuhalten. Die Bundesregierung muss sich dieser Ver‎antwortung endlich stellen.“ Ins A Kromminga, ebenfalls aus dem Vorstand, ergänzt: „Auf Länderebene hat die GMFK bereits 2014 klargestellt, dass die Verstümmelung intergeschlechtlicher ‎Genitalien mit ‚weiblicher Genitalverstümmelung’ vergleichbar ist. Diese ist in Deutschland verboten. Aber hier misst die Bundesregierung ganz offenbar mit zweierlei Maß.“‎

OII Germany fordert daher in Übereinstimmung mit den anderen in Deutschland aktiven Orga‎nisationen intergeschlechtlicher Menschen ein Verbot kosmetischer Genitaloperationen im Kindesalter. Um Rechtssicherheit für die betroffenen Kinder zu schaffen, bedarf es klarstellender ‎Regelungen, wie sie mit § 226a StGB bereits für die „weibliche Genitalverstümmelung“ einge‎führt wurden. Es muss gewährleistet sein, dass intergeschlechtliche Erwachsene ihre Rechte ‎durchsetzen können. Dazu müssten die Krankenakten von Kindern bei Eingriffen an den Genita-‎lien längeren Aufbewahrungsfristen unterliegen und die Verjährung sollte ruhen, bis die Betroffenen volljährig sind.‎
Pressekontakt: oii-germany@gmx.de

Weiterführende Informationen:‎

Studie „Zur Aktualität kosmetischer Operationen ‚uneindeutiger’ Genitalien im Kindesalter“. In: ‎Bulletin – Texte Nr. 42: https://www.gender.hu-berlin.de/de/publikationen/gender-bulletins
Organisation Intersex International Germany: http://intersexualite.de
Organisation Intersex International Europe: http://oiieurope.org