Äußerungen von Bundesjustizminister Marco Buschmann irritieren – doch kein Schutz vor Diskriminierung mehr?

Seit mehreren Jahren wird über die Abschaffung des sogenannten Transsexuellengesetzes debattiert, und im Zuge der jüngsten Änderungen im Personenstandsgesetz auch für eine zugängliche und diagnosefreie Anpassung des Geschlechtseintrags für inter*, trans* und nicht-binäre Personen über das Standesamt gestritten. Im Sommer 2022 wurde dann endlich das erste Eckpunktepapier veröffentlicht, das die geplanten Änderungen durch ein Selbstbestimmungsgesetz darstellt. Doch ein aktueller Referenzentwurf lässt weiter auf sich warten und wurde bis vor Kurzem für den Sommer 2023 angekündigt.

In einem Interview in der ZEIT vom 06. Januar [1] äußert sich Marco Buschmann, Bundesjustizminister, FDP, nun irritierend zu den weiteren Plänen:
die Bundesregierung bestehe auf die bisherigen Eckpunkte und werde keine Rückzieher machen, betont Buschmann. Außerdem stellt er klar: keine Namens- oder Personenstandsänderung ist zwangsläufig mit medizinischen Maßnahmen verbunden. Gleichzeitig skizziert er „Sorgen“ über die Rechtsfolgen des Selbstbestimmungsgesetzes, und macht klar: einer Saunabetreiberin dürfe – im Gegensatz zum Diskriminierungsverbot z.B. bei der Anrede durch Behörden – keine Diskriminierung im Sinne des AGG vorgeworfen werden, wenn sie ihre Saunagäste aufgrund ihrer äußeren Erscheinung (gemeint ist hier wohl die cis-normative Fremd-Zuschreibung eines Geschlechts) auswähle.
Um dies „sauber zu regeln“, deutet Buschmann an, dass ein Gesetzesentwurf sich weiter verzögern und daher erst nach Sommer 2023 veröffentlicht werden wird.

Wir schließen uns der Meinung an, dass hier durch das Justizministerium versucht wird, trans*inter*feindliche Haltungen im Gesetzgebungsverfahren zu berücksichtigen und sie sogar im Gesetz festzuschreiben.

Diese Argumente werden von hetero-cis-normativen Kräften schon seit Jahren und Jahrzehnten in die Diskussion gebracht. Dass Buschmann diese für den Gesetzgebungsprozess als relevant einstuft, zeigt, wie salonfähig die Instrumentalisierung (=Ausnutzung) z.B. von Gewaltprävention für trans*inter*feindliche und rechte Ziele geworden ist. Ausgezahlt hat sich dabei anscheinend die aggressive Öffentlichkeitsarbeit dieser trans*feindlichen Kräfte in den letzten Monaten. In Wahrheit geht es hier jedoch nicht um den (generell wichtigen) Erhalt von Schutzräumen, sondern darum, dass Menschen nicht in der Lage sind, ihre trans*- und inter*feindlichen Denkmuster zu überdenken und abzulegen. Damit werden die vermeintlichen Interessen von Cis-Frauen vor allem gegen die Interessen von inter*, nicht-binären und trans* Personen ausgespielt.

Wir haben kein Verständnis dafür, wenn ein diskriminierendes Gesetz durch ein neuen Gesetz ersetzt werden soll, das Diskriminierung aufgrund von dyadisch-cis-normativen Zuschreibungen schützt oder sogar erlaubt. Wir brauchen Selbstbestimmung, und zwar für alle, und unabhängig von geschlechtlichen Fremd-Zuschreibungen. Das TSG hat dies lang genug erlaubt, damit muss Schluss sein.

Wir fordern das Bundesjustizministerium auf, sich differenziert mit den Bedarfen und Realitäten von inter*, nicht-binären und trans* Personen auseinanderzusetzen, und den wichtigen Schritt eines Selbstbestimmungsgesetzes nicht weiter hinauszuzögern – oder gar die geplanten Eckpunkte zu widerrufen.

Wir fordern: ein Selbstbestimmungsgesetz für alle!

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[1] Im Interview sind außerdem die Festnahmen nach den Ausschreitungen an Silvester Thema, zu denen sich Buschmann äußert und dabei die dominierende rassistische Behauptung übernimmt, die Angriffe auf Personen und Sachbeschädigungen durch Böller hätten irgendeinen Zusammenhang mit einer (nicht) „gelingenden Integration“ von Jugendlichen. Diesem rassistischen Narrativ treten wir als TrIQ ganz klar entgegen!