Redebeitrag zum Transgenialen CSD 2013
TransInterQueer-Topia
Die Straßenkämpfe vor Compton’s Cafeteria 1966 und dem Stonewall-Inn 1969, stehen für den Schulterschluss von Drag Queens, Cross Dressern, Transsexuellen, Transgendern, Butches, Queers, Schwulen, Lesben, Femmes, Sexarbeiter_innen und Bi Personen gegen staatliche Normierung und Schikane. Sollte dieser gemeinsame Kampf tatsächlich so stattgefunden haben, konnte er leider kaum langfristige Bündnisse hervorbringen. So stehen wir heute erneut vor der Aufgabe zu Fragen: Wie sind diese möglich?
Leider erscheinen Trans* und Inter nicht selten als das Anhängsel von LesBiSchwulem Aktivismus und Politik. In einer Trans*InterQueer-Topia sind cis Personen gute Verbündete und Unterstützer_innen! Solche Allies gehen gemeinsam mit trans* und inter Personen gegen die Diskriminierung von trans* und inter Personen vor.
Der konventionelle CSD in Berlin hat in diesem Jahr das Thema “Diskriminierung” als Schwerpunkt, doch die Frage ist: Gegen welche Form der Diskriminierung wird dabei gekämpft? Mittlerweile haben LGB Communities verschiedene bürgerliche Rechte erkämpft. Diese orientieren sich an heterosexuellen Lebensverhältnissen und die eingetragene Lebenspartner_innenschaft, als DAS mehrheitsfähige Thema, scheint einer Lösung nahe. Doch trans* und inter Personen sind weiterhin staatlicher Normierung und Pathologisierung ausgesetzt.
Dabei trifft es jene die Mehrfachdiskriminierungen ausgesetzt sind umso härter.
Trans*Weiblichkeiten beispielsweise, sehen sich nicht nur mit Transphobie konfrontiert, sondern müssen auch gegen Frauenfeindlichkeit und Sexismus kämpfen. Trans* und inter Personen ohne deutschen Pass haben im Allgemeinen noch weniger Zugang zum Arbeitsmarkt und dem ohnehin zweigeschlechtlich-normierten Rechtssystem. Trans* und Inter of color sind mit alltäglichem Rassismus konfrontiert und trans* und inter Personen im Alter, mit Behinderungen, weiteren psychiatrischen Diagnosen, positivem HIV-Status oder chronischen Krankheiten sind zusätzlicher Gewalt und Stigmatisierungen ausgesetzt.
Zugegeben gab es in diesem Jahr eine erhöhte Aufmerksamkeit für Inter-Themen durch die Stellungnahme des Ethikrates und den Beschluss des Bundestages zum “Offenen Geschlechtseintrag”. Aber Inter-Organisationen empfanden sowohl die Stellungnahme des Ethikrates als auch den Beschluss des Bundestages als “Mogelpackung”, da beides kaum die Autorität der Mediziner_innen angreift. Der Forderung die Inter-Organisationen seit Jahren stellen nach “juristische[n] Barrieren gegen Genitaloperationen und Hormongaben in einem Alter, in dem eine persönliche, informierte und unabhängige Entscheidung der Betroffenen nicht gegeben ist” wurde nicht Rechnung getragen. Die Internationale Vereinigung Intergeschlechtlicher Menschen (IVIM) weist darauf hin, dass die Entscheidung der Bundesregierung die Geschlechtsregistrierung offen zu lassen, eine Sondervorschrift darstellt. Sie bestätigt zum einen die Definitionsmacht der Mediziner_innen, weil diese entscheiden wann der Eintrag offen gelassen werden soll, und zieht zum anderen Ausschlüsse und Stigmatisierung nach sich.
Als ein Schritt in Richtung mehr Akzeptanz kann die Entscheidung des Stadtteils Friedrichshain- Kreuzberg gesehen werden in öffentlichen Gebäuden zusätzliche Unisex-Toiletten einzuführen. Auch wenn in diesem Falle der Erfolg noch recht klein ist, da die zusätzliche dritte Toilette noch nicht die ideale Option darstellt, werden die Toiletten der öffentlichen Gebäude dieses Bezirkes damit etwas barrierefreier.
Außerdem werden zur Zeit die “medizinischen Leitlinien zur Behandlung” von trans* Erwachsenen und Kindern überarbeitet. Leider gibt es im Falle der Leitlinien für Kinder überhaupt keine Beteiligung von Selbst- oder Elternorganisationen. Bei den Leitlinien für Erwachsene gibt es nur bedingt Beteiligung ohne Aussicht auf Gleichberechtigung in der Diskussion.
Es stellt sich die Frage: Was wird aus diesen und anderen Trans* und Inter Themen? Was wird aus LSBTI-Bündnissen, wenn das Thema Lebenspartner_innenschaft gelöst sein wird und LGB Personen heterosexuellen Paaren rechtlich gleichgestellt werden?
Hier sind wir alle gefragt, weiterzudenken und Alternativen zur Zweigeschlechtlichkeit zu leben und für deren Akzeptanz öffentlich einzutreten. Es gibt vielfältige Möglichkeiten Trans*Inter- Belange zu unterstützen!
Eine Trans*InterQueerTopia erfordert noch einen gehörigen Schritt Arbeit, und dafür braucht es Zusammenarbeit und gute trans* und inter Allies. Wir müssen gemeinsam dafür kämpfen, dass wir alle existieren können in unseren Vielfältigkeiten und nicht partikulare Interessen gegeneinander stellen. Wir müssen gemeinsam eintreten für eine diskriminierungsfreie Gesellschaft ohne Normierung, Pathologisierung und Stigmatsierung!
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